Wie viele Flüge fallen in diesem Sommer aus?
Zehntausende Urlauber ärgerten sich 2018 über Verspätungen und Flugausfälle zur Ferienzeit. Eurowings-Chef Thorsten Dirks verrät im Interview, wo dieses Jahr Probleme drohen Thorsten Dirks, 56, hat seine erste Bewährungsprobe 2019 bewältigt. Der Chef der Fluglinie Eurowings ist zufrieden mit dem Geschäft in den Osterferien: wenige Flugausfälle, kaum Verspätungen. Vor knapp einem Jahr verursachte sein Unternehmen noch ein veritables Chaos, Dirks musste sich öffentlich entschuldigen.
- 2019-07-01
- 5:18 AM GMT
Herr Dirks, im vergangenen Sommer fielen Tausende Flüge in Deutschland aus. Wie schlimm wird es dieses Jahr?
Wir haben den ersten Härtetest bestanden. Bei der ersten großen Reisewelle in den Osterferien gab es nur sehr wenige Verspätungen. Unsere Flugbetriebe sind mit hohen Zuverlässigkeits- und Pünktlichkeitswerten unterwegs – und das schon seit Monaten.
Was machen Sie anders?
Wir haben aus dem vorigen Jahr gelernt und ein umfangreiches Maßnahmenpaket für verbesserte Prozesse am Boden und in der Luft umgesetzt: Dabei takten wir unter anderem die Flüge großzügiger, halten allein bei Eurowings zehn Reservemaschinen in Bereitschaft und setzen mittags sogenannte Wellenbrecher-Flieger ein, die verhindern, dass sich eine mögliche Verspätung vom Vormittag bis in den Abend fortsetzt. Das klappt richtig gut.
Und hat die Politik ihre Aufgaben erledigt, damit es weniger Flugausfälle gibt?
Die Politik muss – genauso, wie wir es getan haben und weiterhin tun – auch ihre Hausaufgaben machen. Engpässe herrschen insbesondere bei der Flugsicherung, deren Personalplanung für Fluglotsen nicht mal annähernd mit dem voraussichtlichen Wachstum des Luftverkehrs bis 2025 mithalten kann. Und auch die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen dauern im internationalen Vergleich häufig zu lange, weil hierfür oft die dringend benötigte moderne Technologie fehlt. Beides zeigt: Viele Ursachen für Verspätungen liegen jenseits des Gestaltungsspielraums der Airlines.
Die Kunden kaufen aber ihre Tickets nicht bei der EU-Kommission oder der Bundesregierung, sondern bei Ihnen.
Richtig, deshalb ist es so wichtig, dass wir besser und schneller mit unseren Fluggästen kommunizieren und sie informieren, wenn sich Unregelmäßigkeiten nicht vermeiden lassen – vor allem über das Handy. Das war voriges Jahr einer der Hauptkritikpunkte, und deshalb haben wir hier auch nachgebessert – beispielsweise mit intelligenten mobilen Lösungen für unsere Kunden während der gesamten Flugreise.
Europas Flugaufsicht Eurocontrol behauptet dagegen, für die Mehrheit der Verspätungen und Flugausfälle seien allein die Fluglinien verantwortlich. Was entgegnen Sie dem?
Wir dürfen nicht vergessen, dass Eurowings mit der Übernahme von 77 Flugzeugen der ehemaligen Air Berlin und 3000 neuen Mitarbeitern im vergangenen Jahr das größte Integrationsprojekt im deutschen Luftverkehr gestemmt hat, das es je gab – und zwar erfolgreich. Dass es bei diesem enormen Kraftakt auch zu Unregelmäßigkeiten kam, wissen wir. Deshalb haben wir ja auch im Winter mehr als 50 Millionen Euro in die Stabilisierung und die Optimierung unseres stark gewachsenen Flugbetriebs investiert.
Reicht das aus?
Noch mal: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und werden sie auch weiterhin machen, erwarten das aber auch von unseren Systempartnern wie den Flughäfen und der Flugsicherung. Hierfür muss sich aber auch die Politik bewegen und die passenden Voraussetzungen schaffen, ob auf bundes- oder europäischer Ebene. Sie ist es, die für eine funktionierende Flugaufsicht und die angemessene technische Ausstattung der Airports zuständig ist.
Nun drohten ausgerechnet in Spanien Fluglotsen und Bodendienste mit Streiks – also wird der Sommer doch ungemütlich für Fluggäste?
Solche Einzelaktionen können Sie in unserer Branche nie ausschließen. Umso wichtiger ist es, dass wir alles in unserer Macht stehende erledigt haben, damit der Flugbetrieb reibungslos läuft. Und das tut er: Eurowings gehört seit Monaten zu den Top drei der pünktlichsten und zuverlässigsten Airlines in Europa – dieses Niveau wollen wir in jedem Fall für unsere Kunden halten.
Schauen wir uns einmal die Kosten an: Ryanair hat da eine völlig andere Struktur als Eurowings – das sieht man allein bei den Einstiegsgehältern. Ein Co-Pilot startet bei Ihnen mit 44000 Euro Jahresgehalt, bei Ryanair mit 27000 Euro. Da können Sie nicht mithalten.
Wollen wir auch nicht. Bei uns sollen nämlich alle fair bezahlt werden. Ich sage: Bei Ryanair werden die Kosten mittelfristig spürbar steigen. Nicht nur, weil sie überall in Europa jetzt Tarifverträge mit Piloten, Kabinenpersonal und Bodendiensten ausgehandelt haben oder noch müssen. Ryanair wird in Zukunft auch mehr Flughafengebühren entrichten, denn sie fliegen zunehmend von großen und damit teureren Flughäfen wie Düsseldorf und Frankfurt und ziehen sich immer mehr aus den kleineren Flughäfen – zum Beispiel Weeze und Hahn – zurück.
Verfolgen Sie noch den Plan, mit anderen Fluglinien Umsteigeverbindungen, sogenanntes Virtual Interlining, anzubieten?
Ja, in Kürze bieten wir Virtual Interlining auf unserer Homepage und der App an. Dadurch ergeben sich in Europa völlig neue und preislich sehr attraktive Umsteigeverbindungen für die 40 Millionen Gäste, die pro Jahr mit Eurowings fliegen.
Welche anderen Fluggesellschaften nehmen Sie dabei mit an Bord?
Unsere Partner sind zum Start SunExpress und Norwegian. Aber wir sind eine offene Plattform und damit attraktiv für weitere Kooperationspartner. Damit ist es möglich zum Beispiel ab Köln bis nach Spitzbergen zu fliegen – und das in einem Buchungsschritt.
Müssen Kunden beim Umsteigen in das Flugzeug einer anderen Fluglinie ihr Gepäck in Empfang nehmen und für den Anschlussflug wieder selbst einchecken?
Wir sind mit Fluglinien und Flughäfen im Gespräch, um diesen Schritt überflüssig zu machen. Viele unserer Gäste reisen jedoch ohnehin nur mit Handgepäck, dann ist das kein Thema. Wichtig ist: Für den Fall, dass die Umsteigeverbindung einmal nicht klappen sollte, übernimmt eine integrierte Reiseversicherung den Ersatztransport.
Ryanair bietet eine ähnliche Kooperation mit Air Europa an, Easyjet auf längeren Strecken mit Norwegian und Virgin Atlantic. Der große Renner ist das nicht. Warum glauben Sie an den Markt?
Wir konzentrieren uns im Gegensatz zu den Wettbewerbern zunächst auf Europa. Das Potenzial ist dabei groß, denn keine Airline kann die Suchanfragen zu Flugverbindungen zu 100 Prozent mit dem eigenen Streckennetz bedienen. Vor diesem Hintergrund betrachten wir das virtuelle Interlining als willkommene Möglichkeit für unsere Kunden, sich ihre Wunschverbindungen individuell zusammenzustellen.
Wollen Sie die Condor übernehmen? Quasi als Ersatz für die Niki-Flieger, die Sie voriges Jahr aus der Air-Berlin-Pleite nicht bekamen?
Wir haben immer gesagt, dass wir eine aktive Rolle bei der Konsolidierung des europäischen Flugmarkts spielen wollen. Dass in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit viel über mögliche Zukäufe spekuliert wird, ist klar.
Die mehr als 20 Langstreckenflieger der Condor würden gut zu Eurowings passen, und die Flugbasis der Frankfurter auf Mallorca zählt auch zu den Schmuckstücken.
Das mag sein. Wir prüfen grundsätzlich all unsere Optionen sehr sorgfältig, auch diese.
„Wer Flugtickets billiger anbietet als eine kurze Taxifahrt oder eine Parkgebühr am Flughafen, kann einfach keine Qualität leisten“, haben Sie zum Jahreswechsel gesagt. Und jetzt bewerben Sie innerdeutsche Flüge ab 18,99 Euro und haben eine eigene Suchfunktion für Tickets unter 25 Euro auf der Homepage. Wie passt das denn zusammen?
Ein Learning aus dem letzten Sommer war, dass wir Wachstum und Qualität in eine neue Balance bringen müssen – und das geht langfristig nicht mit Tickets zu Taxipreisen. Dennoch erwarten unsere Kunden, dass wir mit günstigen Preisen ganz vorne mitspielen. Es ist aber auch klar, dass es nicht alle Sitzplätze zu ungesund niedrigen Tarifen geben kann.
Weltweit gibt es eine Debatte über die Reduzierung von CO2. Gibt man auf der Eurowings-Homepage „CO2“ ein, erhält man jedoch als Antwort „kein Ergebnis“. Ist das im Ernst Ihr Beitrag zur aktuellen Klimadebatte?
Nein, wir tun natürlich viel mehr. Um unseren Flugbetrieb so umweltverträglich wie möglich zu gestalten, investieren wir im Rahmen unserer kontinuierlichen Flottenerneuerung in treibstoffeffiziente, moderne und geräuscharme Flugzeuge – denn das ist der stärkste Hebel für eine Reduzierung von CO2. Gleichzeitig beteiligen wir uns an Forschungs- und Innovationsprojekten mit Flugzeugherstellern, Flughäfen, Treibstoffproduzenten und der Wissenschaft. Dazu gehört auch die Prüfung von alternativen nachhaltigen Kraftstoffen – nur um mal ein Beispiel zu nennen.
Das wird nicht reichen.
Viel wichtiger wäre, dass die Politik für Europa endlich einen einheitlichen europäischen Luftraum, einen Single European Sky, schafft und damit den CO2-Ausstoß für ganz Europa auf einen Schlag um zehn Prozent beziehungsweise mehrere Millionen Tonnen reduziert – es wäre das größte Klimaschutzprojekt des Kontinents.
interview: matthias kowalski
»Langfristig kann es keine Flugtickets zu Taxipreisen geben«
Thorsten Dirks, Chef von Eurowings
Drei Firmen, die Passagieren bei Urlaubsärger helfen
FlightrightDas Online-Portal ist Marktführer für Fluggastrechte in Europa. Es klagt bei Flugverspätung oder -ausfall die Entschädigung von bis zu 600 Euro ein. Die Provision: 20 bis 30 Prozent der Erstattung
Bahn-BuddyAuch für Bahnfahrer gibt es Firmen, die Entschädigungen einklagen: Je nach Verspätung gibt es bis zu 50 Prozent des Fahrpreises zurück. Die Provision von Bahn-Buddy: bis zu 20 Prozent
SkycopPer Angabe ihrer Flugdaten können Kunden über die Website Skycop bei Ausfällen, Verspätungen oder Umbuchung online Kompensationen einklagen. Dieser Dienst wird als Legal Tech bezeichnet.